Die Seidenfabrik Stehli ist in Germignaga schon aus weiter Ferne erkennbar. Es ist der riesige Gebäudekomplex am Ortseingang, der nur wenige Meter von Fluss Tresa entfernt ist.
Diese Seidenfabrik ist der Ort, an dem viele Familien aus der Region bis vor wenigen Jahren beruflich tätig waren.
Eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Bilderbuch
Die Seidenfabrik Stehli ist Teil einer phänomenalen Erfolgsgeschichte, die seit 1840 ihren Lauf nahm. Damals gründete der einstige Bauer und Statthalter des Bezirks Affoltern Rudolf Stehle-Hausheer eine Weberei, in der schon bald wertvolle Seidenstoffe hergestellt wurden. Nach der Erbauung des Stehli Seiden Areals in Obfelden war es einem Visionär namens Francesco Huber zu verdanken, dass in der Seidenfabrik Stehli in Germignaga – beinahe über Nacht – Arbeitsplätze für mehrere hundert Frauen erschaffen wurden.
Nach einigen Jahren änderten sich die Besitzverhältnisse und ab 1875 gehörte die Seidenfabrik Stehli der Dynastie der Familie Bozzotti. Die Familie rund um den wohlhabenden Cesare Bozzotti leitete die Fabrik für einige Jahre, bis das Eigentum ab 1885 an die Familie Stehli-Hirt überging.
Eine Konstante der internationalen Seidenindustrie
Der Initiative dieser Familie war es zu verdanken, dass sich die Seidenfabrik über ein Jahrhundert lang als feste Größe der internationalen Seidenindustrie etablierte. Zudem wurde der Industriebau um mehrere Abschnitte erweitert, in denen überall Seidenstoffe von allerbester Qualität hergestellt wurden.
Pünktlich zur Jahrtausendwende wurde der Betrieb auf dem Produktionsgelände endgültig eingestellt. Seitdem gehört das gesamte Gelände in dem oberitalienischen Dorf am Lago Maggiore der Stadtverwaltung an, die die Fläche in einen Wiedergewinnungsplan aufnahm. Einige Teile des Stehli Seiden Areals, allerdings auf Schweizer Boden gelegen, werden mittlerweile mietweise als Wohn- und Gewerbefläche zur Verfügung gestellt.
Die Zeit geht nicht spurlos an der Seidenfabrik Stehli vorüber
Um die Seidenfabrik in Germignaga ist es aktuell leider etwas schlechter bestellt. Aktuell erscheint es so, als sei das Fabrikgelände dem Verfall geweiht. Vermutlich sind dringend Baumaßnahmen erforderlich, um dem Gebäudekomplex zwischen der Mündung des Flusses Margorabbia sowie der Via Stehli eine Verjüngungskur zu spendieren.
Dennoch ist der Schriftzug „Setie Stehli“ auf dem rötlich schimmernden Dach des Fabrikgebäudes bis heute deutlich erkennbar. Beeindruckend ist auch das Schicksal des Industriellen-Ehepaars Marguerite und Max Josef Frölicher-Stehli, die einen wichtigen Beitrag zur Gründung des Stehli-Imperiums leisteten. Dieses Ehepaar entkam zusammen mit seiner Tochter Hedwig nur um Haaresbreite dem Tod durch Ertrinken oder Erfrieren im April 1912. Alle drei Wohlhabenden waren Gäste der Jungfernfahrt der RMS Titanic, die in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 nach einer Kollision mit einem Eisberg ein jähes Ende fand. Doch die drei Familienmitglieder zählten zu den rund 700 der insgesamt 2.200 Insassen, die durch Boote vor dem Untergang gerettet werden konnten.